Die Osterinsel, von den Polynesiern Rapa Nui genannt, ist so ziemlich die entlegenste Insel, die man sich vorstellen kann. In einem Radius von ca. 2'700 km rund um das Eiland befindet sich nichts als Pazifik, die nächste menschliche Besiedlung, Pitcairn Island, ist auch nicht eben gross.
Die Isla de Pasqua gehört zu Chile, liegt auf 27° Süd und 109° West rund 3'800 km westlich des Festlandes und ist ca. 4'250 km von Tahiti entfernt. Sie umfasst eine Fläche von lediglich 162 km2.
Mangels schriftlicher Quellen gab es über die Frühgeschichte der Insel verschiedene Thesen. Lange Zeit wurde sowohl eine Besiedlung in mehreren Wellen von Osten, also durch Polynesier, wie auch von Westen aus Südamerika für möglich gehalten. Neuste Forschungen belegen jedoch eindeutig die Besiedlung durch Polynesier in der Zeit von 800 bis 1000 unserer Zeitrechnung. Wie viele Seefahrer die Insel erreicht haben, ist nicht bekannt, es entwickelte sich aber aus den wenigen Gelandeten eine Bevölkerung von 10 Stämmen, die um das Jahr 1100 mit dem Bau von Zeremonialplattformen (Ahus) begannen. Die Siedler, die bereits über bedeutende Navigationskenntnisse verfügten und sehr geschickte Seefahrer und Bootsbauer waren, brachten Pflanzenschösslinge (z.B. Maniok, Süsskartoffeln) und Hühner mit und betrieben eine immer intensivere, den Gegebenheiten der damals vollständig bewaldeten Insel angepasste Landwirtschaft. Der Fischfang war ebenfalls eine wichtige Nahrungsquelle.
Rapa Nui bildete den östlichsten Aussenposten des polynesischen Dreiecks, das Neuseeland, Hawaii und die Osterinsel umfasste. Es entwickelte sich der Moai-Kult, dessen riesige Statuen Ahnen oder bedeutende Häuptlinge verehren. Es gab ursprünglich wohl über 1'000 solcher Statuen, eine Zählung von 1976 ergab noch deren 887. Sie alle wurden mit Basaltwerkzeugen (die Rapa Nui kannten keine Metalle) aus dem relativ weichen Gestein des gleichen erloschenen Vulkans, dem Rano Raraku, herausgehauen und dann an ihre Standorte transportiert. Wie genau das geschafft wurde, ist bis heute ein Rätsel. Deutlich sichtbar ist bis heute, dass viele Moais auf dem Transport zerbrachen. Bis auf das Ahu Akivi blicken alle Statuen weg vom Meer Richtung Dorf. Die Osterinselkultur verfügt als einzige im Pazifik über eine eigene Schrift, die Rongorongo-Schrift, eine mit Lautzeichen durchsetzte Bilderschrift.
Ab ca. 1500 gewann der Vogelmann-Kult an Bedeutung und er ersetzte allmählich die Ahnen-Verehrung. Dies brachte es mit sich, dass viele Moais umgelegt, aber nicht zerstört wurden. Jeden Frühling schwammen junge Männer von Orongo, dem Zentrum des Vogelmann-Kults aus zum vorgelagerten Felsen Motu Nui, um das erste Ei der Russseeschwalbe zu finden. Wer als erster ein unbeschädigtes Ei zurückbrachte, wurde zum Vogelmann und damit zum spirituellen Führer für ein Jahr erklärt.
Die Bevölkerung, die vermutlich keinen Kontakt zur Aussenwelt hatte, wuchs auf Grund der vorteilhaften Lebensbedingungen bis Mitte des 17. Jahrhunderts stetig auf weit mehr als 10'000 Bewohner. Dies führte zu Stammeskriegen um die immer rarer werdenden Ressourcen. Die Folge war ein Kulturzerfall, der einerseits auf die Übernutzung der vorhandenen Ressourcen (vgl. Jared Diamond, Kollaps, 2005), andererseits aber möglicherweise auch auf den zu kleinen Genpool sowie klimatischer Veränderungen zurückzuführen ist.
Am 5. April 1722, am Ostertag, landete ein holländischer Seefahrer als erster Europäer auf Rapa Naui. Der Kontakt mit den Europäern sowie vor allem die durch sie eingeführten Seuchen (Masern, Pocken, Typhus, Ruhr, etc.) und Tiere (Ratten, Hunde, Katzen, etc.) waren verheerend und beschleunigten den Niedergang der Rapa Nui, die teilweise auch als Sklaven verschleppt wurden. 1877 lebten noch 111 Personen auf der Insel.
Die Insel, die nur ca. 24 x 30 km gross ist und nach der vollständigen Abholzung nur wenig verwendbare Ressourcen aufwies, war von geringem strategischem Wert und wurde 1888 durch Chile annektiert.
Heute leben auf Rapa Nui knapp 7'700 Einwohner, eine Einwanderung ist nur durch Hochzeit möglich. Die Insel verfügt über einen internationalen Flughafen, der notfalls auch von Space-Shuttles genutzt worden wäre. Hauptort ist Hanja Roa, sonst gibt es fast nur verstreute kleine Siedlungen. Die Insulaner sind sehr stolz auf ihr kulturelles Erbe und betreiben grossen Aufwand, es zu pflegen. Zufälligerweise hatten wir Gelegenheit, am traditionellen Fest zu Beginn der Sommerferien teilnehmen zu können. Alle Schulklassen waren während des Jahres gehalten, Vorführungen, Tänze, Gesänge, Bekleidungen einzustudieren, bzw. anzufertigen und diese vorzuführen.
Die Insel lebt heute vom Tourismus und vom Fischfang. Viele Bewohner fürchten aber eine Entwicklung hin zum Massentourismus und das Aufkommen der riesigen Kreuzfahrtschiffe. Für letztere gibt es allerdings weder einen Hafen noch eine Mole und zudem bietet die abgelegene Lage einen gewissen Schutz. Da über die Zukunft vin Rapa Nui im weit entfernten Santiago de Chile und von meist korrupten Politikern entschieden wird, wünschen sich viele Insulaner die Selbständigkeit.