Seit ich als Jugendlicher immer und immer wieder Karl Mays "Unter Geiern" gelesen habe, fasziniert mich der Yellowstone National Park in Wyoming, der älteste Nationalpark der Welt. Er besteht seit 1872, umfasst knapp 9'000 km2 und zählt jährlich mehr als 4 Mio. Besucher. Der Park ist vor allem berühmt für seine geothermischen Quellen mit den farbigen Algen, für die vielen Geysire sowie für seine reiche Fauna und Flora. Er ist zudem der grösste Supervulkan des nordamerikanischen Kontinents, dessen Caldera vor ca. 640'000 Jahren entstanden ist (sie ist auf der nebenstehenden Karte eingezeichnet). Quer durch den Park verläuft die kontinentale Wasserscheide. Den Indianern war die Gegend lange vor der Ankunft des Weissen Mannes gut bekannt, sie nutzten die heissen Quellen und die reichen Obsidianvorkommen, aus denen sie Werkzeuge und hervorragende Waffen herstellten.
Mehrmals war ich im Sommer und im Herbst im Yellowstone, Ende Januar dieses Jahres hatte ich erstmals Gelegenheit, den Park im Winter zu besuchen. Man erreicht ihn von der Schweiz aus am besten via Chicago und Jackson Hole (Wyoming) oder Bozeman (Montana).
In dieser Jahreszeit ist nur ein kleiner Teil des Parks zugänglich. Nur wenige Strassen sind einigermassen geräumt und nur ausgewählte Lodges sind in der Lage, Ganzjahresbetrieb anzubieten. Diese gewollte Einschränkung dient dazu, die Tiere in ihrer Winterruhe nicht übermässig zu stören. Von Gardiner, bzw. der North Entrance aus kann man mit einem Mietwagen ins Lamar Valley fahren (ein Weg ca. 45 km, 4x4 SUV empfehlenswert) und auch die Sinterterrassen bei Mammoth Hot Springs besuchen, zum Old Faithful Geysir, der durchschnittlich alle 90 Minuten ausbricht und eine 30 bis 50 m hohe Wasser- und Dampfsäule ausstösst, kommt man nur mit Raupenfahrzeugen, die regelmässig zirkulieren oder mit Fahrer gemietet werden können. Die reine Fahrzeit für einen Weg beträgt je nach Wetter 3 bis 4 Stunden. Im Winter kann man nicht quer durch den Park fahren, die Fahrzeit vom Süden in den Norden beträgt – da "aussenherum" – ca. 6 Stunden. Im Park bestehen Möglichkeiten zum Schneeschuhwandern und zum Skilanglauf, es werden auch geführte Touren angeboten.
Weil der Park auf einer durchschnittlichen Höhe 2'400 müM liegt, herrschen Ende Januar hochwinterliche Verhältnisse mit sehr viel Schnee. Die tiefste Temperatur, die wir am frühen Morgen registrierten, betrug -32°C, tagsüber lag sie in der Regel zwischen -15°C und -24°C, wobei zusätzlich noch der Windchill-Faktor zu berücksichtigen ist. Nicht von ungefähr wird eine Stelle im Lamar Valley Icebox Canyon genannt. Wir trafen auf recht unterschiedliche Schneehöhen, je nach Gegend betrugen sie einige Meter. Mehrmals täglich änderte das Wetter, Schneetreiben und auch heftige Schneefälle kamen immer mal wieder vor. Auch unter diesen harschen Bedingungen funktionierten die Kameras einwandfrei und die Akkus hielten erstaunlicherweise einen ganzen Tag. Mit den dicken Handschuhen, die man besser nur für sehr kurze Zeit auszieht, ist die Bedienung allerdings nicht ganz einfach.
Nebst der grossartigen Landschaft mit Bergen, Canyons und gefrorenen Seen, Flussläufen und Wasser-fällen, den vielen heissen Quellen, Geysiren und Sinterterrassen bietet der Park auch im Winter sehr gute Tierbeobachtungsmöglichkeiten. Büffel sind zahlreich und überall zu sehen, sie nutzen gerne die wenigen geräumten Strassen. Es ist ein unvergessliches Erlebnis, grosse Herden durch die tiefverschneite Landschaft ziehen zu sehen oder nach einer kalten Nacht die schnee- und reifbedeckten Bisons zu bewundern. Dickhornschafe äsen an aperen Stellen und sind gut zu beobachten, manchmal lecken sie sogar Streusalz von den Fahrzeugen. Wapitis (grosse Hirsche) und Elche sind vor allem im Süden anzutreffen, in der Gegend von Jackson Hole. Dort überwintern sie im National Elk Refuge, man kommt ihnen ziemlich nahe und kann ihre riesigen Geweihe mit 2.5 m von Spitze zu Spitze bewundern, die sie im Januar und Februar noch tragen. Coyoten sind sehr häufig und wenig scheu, Weisskopf-seeadler, Wölfe und Fischotter schon seltener. Ein besonderes Highlight war die Begegnung mit einem Rotluchs, hier Bobcat genannt, der am Ufer des Madison River nach Beute Ausschau hielt. Bären – Grizzlies oder Schwarzbären – sieht man zu dieser Jahreszeit keine, sie halten Winterschlaf und verlassen ihre Höhlen in der Regel erst Ende April.
Die Park Ranger legen grossen Wert darauf, dass die Strassen nicht verlassen werden und die Flucht-distanz der Tiere eingehalten wird. Fühlen sich die Tiere gestört und fliehen, verbrauchen sie sehr viel Energie, die sie in Zeiten des äusserst knappen Futterangebotes kaum ersetzen können, was für sie lebensbedrohend ist.
Nützliche Links:
National Park Service, Yellowstone | Yellowstonen NP, the complete guide
Tours in historischen Snwomobilen | Aktivitäten im Yellowstonen im Winter